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Es wurde zwar oft genug gesagt, aber leider noch nicht oft genug gehört und beherzigt: Der Apostroph (von griech.: ἀποστροφή – Abwendung, Umkehr, Flucht, Vertreibung) ist ein Aus­las­sungs­zei­chen; er zeigt an, daß ein oder mehrere Buchstaben oder Laute in einem Wort aus­ge­lassen wurden. Lehrreiche Beispiele finden sich zuhauf, u. a. bei Wikipedia und bei Belles Lettres.

Vom Apostroph klar zu unterscheiden ist der Deppen-Apostroph. Er wird im Deutschen meistens da gesetzt, wo man im Englischen einen Apostroph setzen muß, nämlich vor dem s beim Genitiv Singular. Der Unterschied ist folgender: Im Englischen wurde der Genitiv früher tatsächlich mit -es gebildet; heute zeigt der Apostroph das weggefallene e an. Was aber im Englischen korrekt ist, ist im Deutschen grundsätzlich falsch, denn hier war nie ein e zur Genitivbildung erforderlich, und folglich ist auch nichts weggefallen, was durch ein Auslassungszeichen angezeigt werden müßte. Ein Apostroph hinter Namen ist im Deutschen lediglich dann nötig und sinnvoll, wenn aus Gründen der Lesbarkeit und der Aussprache ein s wegfällt: Marx‘ Kapital, Thomas‘ Ranzen. Wer ein Genitiv-s an Wörter hängt, die nicht auf s, ss, ß, tz, z oder x enden, braucht dazu keinen Apostroph: Annas Nase, Kaspers Mütze und Martins Gans verstehen sich von selbst und bedürfen keiner Herausstellung durch Apostrophierung. Wer den Apostroph dennoch verwendet, verwendet ihn ohne Not und ist daher – orthographisch gesehen – ein unter Apostrophitis leidender Depp.

Seit der sog. Rechtschreibreform kann ein Apostroph auch im Deutschen bei Namen gesetzt werden – allerdings nur „gelegentlich“, nämlich „um die Grundform eines Namens zu verdeutlichen“ (so der Duden 1996, S. 24). Das gilt, wenn Verwechslungsgefahr besteht:

Dori's Floristik

Dori’s (nicht Doris‘) Floristik, Andrea’s (nicht Andreas‘) Friseurladen.

Harry’s Bar, Schrödinger’s Katze, Vater’s Hemd und Berlin’s Sehenswürdigkeiten waren, sind und bleiben aber genauso falsch wie Jürgen’s Imbiss, den eine Online-Englischhilfe-Seite fälschlicherweise als Beispiel für die neue Regel anführt.

Leider macht sich der Deppen-Apostroph (die Deutschen sind gründlich!) immer mehr selbständig, und das weit über den Genitiv hinaus. So sieht man ihn immer häufiger auch vor dem Plural-s: die Müller’s, zwei Video’s, meine CD’s, und manch einer scheint zu glauben, daß grundsätzlich jedes s am Wortende mit einem Apostroph abgetrennt werden muß.

Am Wortanfang sieht man den Apostroph bisher eher selten. Berechtigt ist er dann, wenn es um die Wiedergabe von gesprochener in schriftlicher Sprache geht: ’n für ein, ’s für es. Beim Indefinitpronomen etwas dagegen, das umgangssprachlich sowohl mündlich als auch schriftlich oft zu was verkürzt wird („ich hab (et)was gesehen“, „er hat (et)was durcheinandergebracht“), wird die Auslassung nicht markiert. Der Berliner Zoo betritt auch orthographisches Neuland, wenn er bekanntgibt:

was neues

Bleibt zu hoffen, daß diese Spezies im Zoo einen kleinen Käfig bekommt, aus dem sie nicht ausbrechen kann, damit sie nicht weiterhin ihr Unwesen treibt.

Leider habe ich vor kurzem eine weitere Unterart entdeckt – ich möchte sie Oberdeppen-Apostroph nennen:

Berlins

Dieser Apostroph (hinter dem Genitiv-s) steht für nichts mal nichts mal wieder nichts – hier wird nichts ausgelassen, nichts abgetrennt und auch nichts hervorgehoben. Bei aller Liebe zu Kreativität und Artenvielfalt: Auch diesem Exemplar ist sehnlichst zu wünschen, daß es sich nicht weiter vermehrt, sondern im Gegenteil schnellstens ausstirbt.